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Lifestyle | 08.10.2015

Männer unter Strom: Was wollen wir nun von ihnen?

"Der missbrauchte Mann" – Psychologe und Bestsellerautor Roman Braun lässt aufhorchen

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Schon mal einen Orgasmus vorgetäuscht? Foto: Shutterstock

Let's talk about Sex

Über die Sexualität der Frauen wird viel geschrieben, aber wie ist es um die Erotik der Männer bestellt? Dazu stolperten wir über die Aussage des bekannten Psychologen und Besteller-Autors Roman Braun, der zum Thema „Der missbrauchte Mann“ referiert. Niederösterreicherin-Chefredakteurin Angelica Pral-Haidbauer bat den Experten zum Gespräch.

Männlein und Weiblein. Abgesehen von einer evolutionstechnisch funktionierenden Fortpflanzung – passen beide in ihren Wünschen und Erwartungen an ein erfüllendes Sexualleben eigentlich zusammen?
Nein, eigentlich überhaupt nicht (lächelt). Wie auch in allen anderen Bereichen des Lebens, sind Frauen und Männer in puncto Sex grundverschieden. Das beginnt schon bei der Neurophysiologie. Betrachtet man das Hirn beispielsweise beim Höhepunkt, spielt sich beim Mann nicht viel ab – da erkennt man eine kleine Kapriole. Bei der Frau hingegen sind viele Hirnareale aktiv und sprühen nur so vor Feuer. Unsere Kultur vermittelt es uns zwar anders, aber Frauen sind unendlich sexuellere Wesen als Männer. Diese falschen Bilder – von der klösterlichen Frau und dem „übersexten“ Mann – in der Gesellschaft sollten sich endlich ändern.

Es heißt ja: „Männer sind Sprinter und Frauen geübt im Langzeit-Marathon“. Oder auch: „Frauen wollen Blumen, Männer wollen Sex“. Stimmt das?
Frauen wollen Blumen, das stimmt – aber nur einmal. Denn das Bedürfnis dahinter ist die Aufmerksamkeit des Mannes – er soll sich mit ihren Wünschen und Erwartungen beschäftigen und sich in der Folge auch aufmerksam zeigen. Ein Mann, der glaubt,  jedes Mal durch Blumen bei seiner Frau zu punkten, irrt. Von Natur aus ist die Frau an sich nämlich polygam. Sie kontrolliert beinahe im Stundentakt, ob der Mann, ihr Partner, noch voll für sie da ist. Wenn das nicht der Fall ist, lockt sie sich einen neuen an. Hingegen ist der Mann, ohne unsere Sozialisation, im Grunde monogam. Das Männliche sucht Herausforderungen und Aufgaben und würde dafür bis ans Äußerste gehen – so auch für die Frau an seiner Seite. Und ganz ehrlich: Männer setzen für banalere Dinge wie Sport, Autos & Co. ihr Leben aufs Spiel.

Was meinen Sie mit dem „Missbrauch des Mannes“?
Der Missbrauch an einer Frau ist meist offensichtlich und brachialer. Umgekehrt gestaltet er sich subtiler. So ist der größte Missbrauch an einem Mann nämlich emotional. Täuscht die Partnerin falsche Gefühle vor – ja, hier meine ich auch im Bett – lässt sie den Mann in einer Scheinwelt, in einer Illusion. 
Ein falsches Lächeln aufsetzen und ein Problem mit der Freundin anstatt mit dem eigenen Mann zu besprechen, ist fatal. Denn die Partnerin ist in den meisten Fällen die intimste Beziehung, die ein Mann hat – auch wenn er viele Kumpels hat. Frauen haben im Unterschied dazu viele enge Beziehungen.
Daher ist eine Trennung für Männer meistens auch schlimmer als für Frauen, wenn die Partnerin „plötzlich“ weg ist.

 

Sexuelle Höchstform kontra Nestbautrieb

Nun gestaltet sich ein gemeinsames Leben in Phasen. Verliebtheit – Ehe – Kinder im konservativen Lebensentwurf. Kommen Kinder, befindet sich der Mann wahrscheinlich in sexueller Höchstform des Drängens und Begehrens, während es sich die Frau gemütlich in der Kinderstube einrichtet. Worin liegen hier die Fallen eines Auseinanderdriftens? 
Eine große Falle liegt darin, die gemeinsame Beziehung hinter den Bedürfnissen des Kindes bzw. der Kinder anzustellen. Die elterliche Partnerschaft hat Vorrang. So paradox es klingt, aber nur so, nämlich wenn Mama und Papa sich verstehen, werden die Bedürfnisse nach Sicherheit und Geborgenheit des Kindes am besten gestillt. Besonders Frauen denken oft, dass sie auch im Kopf noch ihrem Kind den Vorrang geben müssen. Dadurch kommt die Partnerschaft oftmals zu kurz und wird gefährdet. Diese Einstellung bedeutet auch weniger Sex  – besonders in den ersten Lebensjahren des Kindes. Man sichert und stabilisiert sie jedoch, indem man ihr einen höheren Stellenwert einräumt. 

Wenn sich die Mutterschaft ob ihres hormonellen Einflusses auf die Sexualität der Frau auswirkt, verändert die Vaterrolle auch die Libido eines Mannes? 
Absolut – nachgewiesenerweise. Beim Mann sinkt der Testosteronspiegel. Dass es in der Partnerschaft weiterhin lei­den­schaftlich zugeht, hängt stark vom Kopf ab.

Frauen entdecken sich mit zunehmendem Alter neu: Die Kinder sind aus dem Gröbsten raus, die Selbstsicherheit ist gefestigt – erotische Bedürfnisse nehmen zu, Sex wird genossen wie nie zuvor. Just zu diesem Zeitpunkt nimmt die Potenz des Mannes ab.  Ist das nicht ein Fehler im System?
Eigentlich verläuft die hormonelle Ebene bei beiden Geschlechtern gleich ab. Das  heißt, Frauen und Männer sind zwischen 17 und 25 am sexuellen Höhepunkt. Bei der Frau entfaltet sich die volle Leidenschaft jedoch erst später, weil uns unsere Gesellschaft das Bild der keuschen Frau vermittelt. Diesem Bild wollen sich reife Frauen aber nicht mehr anpassen und stehen zu ihrer Lust. Dann erleben sie eine persönlich sexuelle Befreiung. Die Potenz des Mannes nimmt aber ab, das stimmt. Die gute Nachricht ist jedoch: Sexualität spielt sich ja nicht nur auf der Geschlechter-Ebene ab, sondern auf allen anderen Ebenen auch. Sexuell erfüllte Paare können täglich oder nur zweimal pro Woche Sex haben – die Anzahl ist nicht ausschlaggebend.

Welchen Rat können Sie Paaren in derartigen Situationen geben?
Der Schlüssel liegt in der Polarisierung. Der Mann soll sich auf seine männlichen und die Frau auf ihre weiblichen Qualitäten besinnen. Genau das zieht sich nämlich an und führt zu Leidenschaft. Erinnern Sie sich an die erste Zeit des Verliebtseins! Denn genau hier macht das jeder Mensch automatisch. Man spürt, wie man das Liebesspiel aufrechterhält.

Nun scheint es, dass die Zahl der Sexmuffel – auch bei jungen Menschen – zunimmt. Welche Faktoren unterstützen diese Entwicklung Ihrer Ansicht nach? 
Ein Hauptgrund ist die fehlende Unterscheidung zwischen öffentlicher und privater Rolle bei Frauen und Männern. Gen­dermäßige Korrektheit ist im Beruf absolut richtig und angebracht. Im Liebesleben führt sie jedoch zu einer Vernunftbeziehung, weil das sich anziehende Gegensätzliche fehlt. Die Spannung und das Prickeln bleiben aus. Für eine leidenschaftliche und funktionierende Beziehung braucht es beide Energien – die weibliche und die männliche. Verwechselt man seine öffentliche Rolle mit seiner Rolle als LiebhaberIn, verschwimmen die Qualitäten und die Anziehung geht flöten.