Lifestyle | 12.11.2018
Geeesundheit!

Es ist jedes Jahr dieselbe Geschichte: Wir halten fest am Sommer, ignorieren den angekündigten Wettersturz, begrüßen den eingetroffenen Herbst mit Sommerkleidung und plötzlich kratzt es im Hals. „Der Wechsel vom Sommer zum Herbst ist die beste Voraussetzung, um sich zu verkühlen“, erklärt der Präsident der Steirischen Apothekerkammer, Gerhard Kobinger. Ist das Immunsystem erst einmal geschwächt, kann er sich nicht gut genug gegen die Viren wehren. Und sobald diese beginnen, im Körper ihr Unwesen zu treiben, lassen auch die Symptome nicht lange auf sich warten. „Hier gilt: Lieber daheim im Bett bleiben, um andere Menschen nicht anzustecken“, betont Kobinger. Über Anhusten oder Händeschütteln haben es die Viren, die über Tröpfchen- und Schmierinfektion verbreitet werden, sehr leicht.
Erkältungswelle nach den Ferien. Es ist kein Zufall, dass Erkältungs- und Grippewellen dann im Steigen begriffen sind, wenn nach den Ferien Kindergarten und Schule wieder beginnen. Die Wiener Kinderärztin Monika Resch erklärt: „Kinder sind dort auf engstem Raum zusammen, die Kleinsten nehmen noch dazu Dinge in den Mund, wodurch Keime noch schneller verbreitet werden.“ Kälte spielt bei der Ansteckung eine eher untergeordnete Rolle, Resch empfiehlt sogar, täglich an die frische Luft zu gehen, auch wenn der Schnupfen da ist. Auch sollten Kinder in Schule und Kindergarten geschickt werden, „die Kinder daheim zu lassen ist unrealistisch, es gibt Kinder, deren Nase die ganze Kälteperiode über läuft“. Vorbeugend und gut in dieser Zeit sind eine ausgewogene Ernährung und der weitgehende Verzicht auf „Junkfood“, selbst Kochen mit frischen Zutaten sollte im Idealfall auf der Tagesordnung stehen. Das in vielen Haushalten gestiegene Hygienebedürfnis hat laut Resch zwar Auswirkungen auf die Allergierate – es ist erwiesen, dass Kinder, die auf dem Bauernhof aufwachsen, seltener unter Allergien leiden –, schwächt aber nicht das Immunsystem bei Erkältungen. „Gerade wenn in der Familie schon jemand verkühlt ist, sollte die Händehygiene noch genauer genommen werden.“
Impfung. Nach den überdurchschnittlich vielen Grippeerkrankungen im letzten Winter rät die Kinderärztin zur Impfung. Weil Grippeviren von Saison zu Saison mutieren, muss der Impfstoff jedes Jahr adaptiert werden. „Wir wissen also nie, wie sich die nächste Grippesaison entwickeln wird“, sagt Resch. Der Grundstoff besteht aus vier Stämmen, die erfahrungsgemäß die meisten Erkrankungen verursachen. Dass es im vergangenen Winter so viele echte Grippen gab, liege auch daran, dass die Durchimpfungsrate gering bzw. die Impfmoral bei der Grippeimpfung eher schlecht sei. Resch: „Ich selbst stand ihr lange ambivalent gegenüber. Nach der letzten Saison rate ich Eltern aber dazu.“
So sensibel das Thema bei Kindern ist, ist es auch beim vermeintlich starken Geschlecht. Der „Männerschnupfen“ hat es mittlerweile in wissenschaftliche Studien geschafft. Die Genderexpertin Alexandra Kautzky-Willer erklärt das Phänomen: „Männer sind von Schnupfen und Erkältung oft stärker betroffen, weil die Schnupfenviren aggressiver wirken.“ Männliche und weibliche Nasenschleimhautzellen, die mit Grippeviren infiziert wurden, zeigten tatsächlich Unterschiede: In den weiblichen Zellen konnten sich die Viren schlechter vermehren. In Europa erkranken Männer häufiger an Grippe, da die Grippeviren auch die Nasenschleimhaut stärker schädigen. „Umso schlechter ist es, dass Frauen, und hier besonders jene mit höherem Risiko aufgrund chronischer Krankheiten, weniger oft gegen Grippe geimpft sind“, betont Kautzky-Willer. Ein Nachsatz mit Schmunzeln: „Bei Männern spielt sicher im Umgang mit Erkältungskrankheiten auch die Gewohnheit, sich umsorgen und verwöhnen zu lassen, eine nicht unwesentliche Rolle.“
Geschlechtsabhängig. Die Gendermedizin, die sich mit Unterschieden bei Krankheitsbildern von Männern und Frauen beschäftigt, hat auch bei Erkältung interessante Ergebnisse vorzuweisen. Männer und Frauen werden zwar von denselben Krankheitserregern heimgesucht, reagieren aber unterschiedlich. Wie anfällig man ist, bestimmt die Biologie, also körperliche Eigenschaften und die Immunreaktion auf Krankheitserreger. Kautzky-Willer: „Auch spielen die Geschlechtschromosomen eine große Rolle, da wichtige Gene für das Immunsystem auf dem X-Chromosom liegen. Frauen haben ein Reserve-X.“ Zudem nehmen Sexualhormone eine wichtige Rolle ein: „Östrogen stimuliert bestimmte Abwehrzellen, jedoch sind Frauen dadurch anfälliger für viele Autoimmunerkrankungen. Testosteron bremst einige Gene des Immunsystems, wirkt quasi immunsystemschwächend. So ist auch die Antikörperbildung nach Impfungen bei Frauen stärker ausgeprägt.“ Frauen sind zudem durch Pflege und den intensiveren Kontakt zu Kindern öfter Erregern ausgesetzt. „Außerdem scheinen Frauen mit Krankheiten und Schmerzen anders, vielleicht besser, umzugehen – womöglich durch eine andere Sozialisierung: das weibliche Rollenbild entspricht traditionell eher dem einer Unannehmlichkeiten still Ertragenden und andere Unterstützenden“, betont die Gendermedizinerin. Und so bleibt es meist an den Frauen hängen, kranke Angehörige zu umsorgen – auch wenn sie selbst betroffen sind.

Infektionskrankheiten
Im Winter beim Sporteln lieber einen Gang zurückschalten: Während bei körperlicher Belastung die Zahl der Abwehrzellen im Blut stark ansteigt, fällt bei Entspannung die Anzahl der Immunzellen unter den Ausgangswert vor der Belastung. Da Krankheitserreger zu diesem Zeitpunkt nur vermindert bekämpft werden können, kommt es häufiger zu Infektionskrankheiten. Weil kalte Luft Augen und Haut austrocknet, sollten die Schleimhäute feucht gehalten werden. Lutschtabletten, befeuchtende Augen- und Nasentropfen sowie Spüllösungen helfen hier.

Erste Anzeichen – vorbeugen!
Hochdosiert Zink einnehmen, Spülen und Gurgeln mit Salbeitee oder einer Gurgellösung aus der Apotheke. Tabletten lutschen, die Schleimhäute feucht halten, Menschenansammlungen vermeiden, oft die Hände waschen. Nasenspülungen helfen, das Sekret zu verflüssigen bzw. die Schleimhäute feucht zu halten. Um gut schlafen zu können, helfen abschwellende Nasensprays. Ein gutes Hausmittel bei ersten Anzeichen ist Zwiebelsirup. Dazu eine Zwiebel würfeln, mit Zucker bestreuen und nach einer Stunde den Saft trinken.

Immunsystem stärken
Vitamin C, D (fetthaltiger Fisch, Sonne), Selen oder Zink stärken das Immunsystem. Ebenso die Pflanzeninhaltsstoffe des Roten Sonnenhutes, der Pfingstrose, des Lebensbaumes, der Färberhülse oder der Holunderbeeren. Viel Trinken, das hält die Schleimhäute feucht! Die Antioxidantien des Grünen Tees unterstützen das Immunsystem zusätzlich und wirken vorbeugend gegen Krebs. Ein Wundermittel bei Erkältung ist Ingwer-Tee: Dazu Scheiben frischer Wurzel mit kochendem Wasser übergießen, ziehen lassen und mit Honig süßen.

Darmgesundheit
70 Prozent aller Immunzellen befinden sich in unserem Dünn- und Dickdarm, etwa 80 Prozent aller Abwehrreaktionen passieren hier. Billionen von Bakterien verwerten dort unsere Nahrung. Der Gesundheitszustand der Darmflora (Mikrobiom, das bezeichnet alle im Darm lebenden Mikroorganismen) beeinflusst positiv wie negativ zahlreiche Körperfunktionen und damit die Allgemeingesundheit – bis hin zum emotionalen Befinden. Durch den vorbeugenden Verzehr von Probiotika (etwa Milchprodukte wie Joghurt oder Joghurt-Drinks) können laut verschiedenen Studien Häufigkeit, Schwere und Dauer von Atemwegserkrankungen abnehmen und das Erkältungsrisiko um rund ein Drittel sinken.