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Lifestyle | 05.10.2020

"Das ist ein Mord ohne Leiche"

Im Fall der 1,7-Millionen-Euro-Veruntreuung im Magistrat Klagenfurt spricht nun erstmals der Anwalt des Beschuldigten. Norbert Wess über die profane Urlaubsdestination seines Mandanten, verdächtige Umbuchungen und die Hoffnung, dass das Geld noch irgendwo steckt.

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©Didi Wajand

von Franz Miklautz

 

MONAT: Herr Wess, Sie kommen gerade von einem Gespräch Ihres Mandanten mit dem Landeskriminalamt. Was gibt es Neues zu berichten?

Norbert Wess: Das KPMG-Gutachten ist sehr technisch und buchhalterisch zu lesen. Das LKA hat uns jetzt einen konkreten Überblick über die Vorwürfe gegeben.

Dieser forensische KPMG-Bericht belastet Ihren Mandanten schwer. Er soll über einen Zeitraum von 23 Jahren rund 1,76 Millionen Euro aus der Stadtkasse entwendet haben. Wie äußert sich Ihr Mandant dazu?

Er bestreitet jegliches Fehlverhalten und kann sich die Vorwürfe nicht erklären. Und man muss sagen: Bis dato ist der Fall ein Mord ohne Leiche. Auf seinen Konten wurde kein Geld gefunden. Mein Mandant fährt einmal im Jahr nach Norditalien auf Urlaub und hat einen Mittelklassewagen. Er führt kein auffälliges Leben.

Das braucht er auch nicht: Streckt man die 1,7 Millionen Euro auf 23 Jahre, würden das nicht mehr als 200 Euro zusätzliche Ausgaben pro Tag bedeuten. Da wird kein Nachbar misstrauisch.

Das würde aber beispielsweise auf Spielsucht hindeuten. Ein Ansatz, der auf meinen Mandanten ebenfalls in keiner Weise zutrifft.

Dass am Konto nichts gefunden wurde, heißt noch nichts: Vermutlich hat das Geld nie eine Bank von innen gesehen. Es könnte unterm Kopfpolster, im Blumenbeet oder sonstwo sein.

Das kann sein. Aber nicht bei meinem Mandanten.

Gab es in der Stadtkasse ihrem Klienten zufolge ein Vier-Augen-Prinzip?

Ja, das gab es.

Wer war dann das zweite Augenpaar?

Entweder der stellvertretende Stadtkassenleiter oder ein anderer Vertreter.

Der KPMG-Bericht zählt 276 Transaktionen, in denen entweder Gelder aus der Stadtkasse nicht aufs Bankkonto der Stadt gebracht oder Gelder vom Bank- konto abgehoben wurden, das nicht den Weg in die Stadtkasse fand. Galt auch für diese 276 belasteten Transaktionen das Vier-Augen-Prinzip?

Das kann man dem KPMG-Bericht nicht eindeutig entnehmen, aber jene Belege, die sie als Anlagen anführen, weisen regelmäßig zwei Unterschriften von zwei verschiedenen Personen auf.

Das heißt, bei keiner dieser 276 Transaktionen war Ihr Mandant der Einzige, der am Beleg unterzeichnet hat?

Das ist nicht eindeutig zu sagen. Es könnte auch sein, dass entsprechende Gegenbelege noch nicht gefunden wur- den oder aber auch, dass das Geld gar nicht fehlt.

Die Stadt sagt, das Geld ist weg. Wenn nur eine Unterschrift auf den Belegen zu finden ist, müsste eine Umgehungskonstruktion gefunden worden sein, um das Kontrollamt zu täuschen – oder aber die Kontrolleure haben gigantisch geschlampt?

Stimmt. Wenn die sich das angeschaut haben und die Belege in der Buchhaltung erfasst wurden, hätten im Kontrollamt die Alarmglocken läuten müssen. Mein Mandant will aber nie- mandem etwas unterstellen. Es bleibt ein Rätsel für ihn.

Wieso war es dann aber genau Ihr Mandant, der immer am Jahresbeginn Dienst versehen hat? Da wurden Umbuchungen auf Konten durchgeführt, um die Fehlbeträge zu verschleiern. Alle anderen Mitarbeiter waren auf Urlaub.

Das ist nicht konsequent richtig. Es gibt auch Tage, an denen die anderen Mitarbeiter anwesend waren. Es könnte also auch sein, dass jemand anderes bei den Umbuchungen besonders trickreich war, und mein Klient jetzt dafür gera- destehen soll. Eines ist aber richtig: Die Mehrzahl der Umbuchungen fand an Tagen statt, an denen mein Klient allein anwesend war. Aber diese Buchungen haben dazu gedient, die Liquidität auf verschiedenen städtischen Konten si- cherzustellen. Und bei diesen waren de- finitiv immer zwei Unterschriften und zwei TANS vonnöten und sind auch auf den Belegen ersichtlich.

Die Sache ist aufgeflogen, als Ihr Mandant in Pension gegangen ist und – es gilt die Unschuldsvermutung – diese Umbuchungen offenbar nicht mehr durchgeführt wurden.

Auch das könnte trickreiches Verhalten von jemandem sein, der die Umbuchungen genau zum Pensionsantritt meines Klienten eingestellt hat.

 

 

 

 

 

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Norbert Wess verteidigt auch den ehemaligen Commerzialbank-Direktor Martin Pucher ©Didi Wajand

Gibt es Hinweise auf Mittäter?

Nein, die gibt es nicht. Abgesehen davon bestreitet mein Mandant jegliche Beteiligung.

Ex-Kollegen im Magistrat bescheinigen Ihrem Mandanten, ein Ausbund an Korrektheit gewesen zu sein. Dennoch mutma- ßen einige, dass das Geld in die Wohnungen seiner Kinder geflossen sein könnte. Was sagen Sie zu diesemVorwurf?

Das ist mehr als unwahrscheinlich. Sein jüngstes Kind wohnt in einer Art Miet-WG, das mittlere in einer Mietwohnung und das älteste in einem Reihenhaus, das vom Lebensgefährten finanziert wurde.

Auf Veruntreuung stehen ein bis zehn Jahre Freiheitsstrafe. Erschwerend kommt hinzu, dass auch Paragraph 313 StGB schlagend werden könnte: Ausnützung einerAmtsstellung.Dasheißt,dassnoch- mal die Hälfte der Strafe aus der Untreue dazukommen könnte. Mit welchem Ausgang rechnen Sie?

Ich bin überzeugt davon, dass niemand verurteilt werden kann, der das nicht begangen hat. Ich gehe davon aus, dass das Verfahren eingestellt wird.

Bei der Staatsanwaltschaft hört man von einer möglichen Mitwisserschaft im Umfeld des Beschuldigten.

Davon steht nichts im Akt. Außerdem wüsste ich nicht, was eine Mitwisserschaft alleine für sich strafbar machen soll. Abgesehen davon, dass mein Mandant sämtliche Vorwürfe bestreitet, hat man auch in seinem Umfeld keinerlei Luxusgüter oder Ähnliches mehr gefunden.

Ihr Klient wurde in einer Pressekonferenz der Stadt Klagenfurt, in der die Malversation bekanntgegeben wurde, einigermaßen individualisierbar als möglicher Täter erwähnt. Wie geht es ihm damit und schmähen ihn die Nachbarn?

Wie man in dieser Pressekonferenz fix davon ausging, dass mein Mandant diese Sache zu verantworten hat, ohne die Ermittlungen abzuwarten, das verstößt gegen alle verfassungsrechtlichen und strafrechtlichen Grundsätze. Jene, die ihn kennen, halten zu ihm, weil sie wissen, dass er einaufrichtiger Mensch ist. Das wiederum bestärkt mich in meiner Meinung über ihn.