Lifestyle | 10.12.2018
Wir bitten dich, verhöre uns
Dass die Domkirche in St. Pölten gerammelt voll war, konnte man als Ehrerbietung für den neuen Bischof deuten. Man konnte aber auch darüber spekulieren, ob die Neugier das eine oder andere niederösterreichische Schäfchen in die heiligen Hallen geführt hatte. Immerhin gab es über den neuen Oberhirten Alois Schwarz im Magazin „News“ in den Tagen zuvor allerhand zu lesen. Dass der Mann Gottes eben auch nur ein Mann sei, der seiner engsten Beraterin näher gestanden habe, als sich dies für einen Priester frommt. Dass er mit ihr gemeinsam in Kärnten eine Baustelle hinterlassen habe, mit unklaren Finanzen sowie Mitbrüdern und Mitschwestern am Rande des Nervenzusammenbruchs. Und dass die alles vergebende Barmherzigkeit des obersten Kirchenführers im Besonderen jenen zuteil wurde, die für das Desaster verantwortlich waren. Nur offiziell dementieren die Kirchenoberen, dass es sich um eine Strafversetzung handelt.
Davon war bei der Amtseinführung keine Rede. Zwar blickte der scheidende Bischof Klaus Küng mit wächserner Mine auf seinen Nachfolger und einige Würdenträger in der ersten Reihe fächerten sich mit dem Programmheft indigniert Luft zu. Am Ende gab es in St. Pölten aber doch ganz barocken Applaus für den neuen Bischof. Die konservative Landeshauptfrau machte ihm in der ersten Reihe die Aufwartung, neben ihr nahm ÖVP-Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka Platz. Als zwei Tenöre Haydn anstimmten, summte Sobotka fröhlich mit. Er war früher Musiklehrer.
Das große Aufräumen. Während in St. Pölten Harmonie zelebriert wurde, hatte in der früheren Wirkungsstätte des Bischofs bereits die Aufarbeitung seines Erbes begonnen. Das Zepter führen nun drei Würdenträger, die – jeder auf seine Art – mit dem früheren Bischof aneinander geraten waren. Am offensichtlichsten war das bei Gerhard Kalidz, einst als Generalvikar rechte Hand des Bischofs. Er gilt als Mann fürs Grobe. Als er seinem Vorgesetzten die Meinung geigte, wurde er nach Gurk abgeschoben. Nun soll der machtbewusste Monsignore die Kirchenfinanzen wieder ordnen. Eine weitere Schlüsselfigur ist Kanzler Jakob Ibounig, eine Art kirchlicher Protokollchef, der gegenüber seinem früheren Chef die Grenzen des Gehorsams zumindest ausgereizt und intern auf Missstände hingewiesen hat. Ibounig ist als scharfer Denker bekannt, der sich wie kein anderer in Kärnten mit den Fallstricken des Kirchenrechts auskennt und jetzt die Aufräumarbeiten koordiniert.
Die vielleicht undankbarste Rolle fällt Engelbert Guggenberger zu, bisher Generalvikar. In der kirchlichen Hierarchie war er das „Alter Ego“ des Bischofs: Er sollte unauffällig umsetzen, was der Chef anordnete und keine eigenen Meinung haben. Es heißt, dass der kunstsinnige Extrembergsteiger Guggenberger in den letzten Jahren besonders oft dann Höhenluft schnupperte, wenn er mit den Entscheidungen seines Vorgesetzten haderte. Nun steigt er zum Administrator auf – er ist gewissermaßen Bischof auf Zeit. Guggenberger muss den Bruch mit einem Kurs vollziehen, den er selbst nicht nur mitgetragen, sondern teilweise auch ausgeführt hat.
Millionen-Vermögen. Dieses Triumvirat soll nun den Scherbenhaufen in Kärnten aufräumen, damit ein neuer Bischof die Diözese ohne Altlasten übernehmen kann. Die Herausforderungen sind weltlicher Natur: Eine unklare Finanzsituation, katastrophale Personalpolitik, Führungsschwäche. Dazu kommt ein PR-Desaster, weil Teile der Bevölkerung darüber rätseln, ob der heilige Mann in den letzten Jahren die bischöfliche Liegestatt mit jemandem geteilt hat.
Dabei fing alles vor 17 Jahren so vielversprechend an. Auch damals wurde ein Bischof praktisch über Nacht vom Heiligen Stuhl in Rom aus Klagenfurt weggelobt. Egon Kapellari, ein kunstliebhabender Intellektueller, der mit dem vom ländlichen Leben geprägten Kirchenvolk in Kärnten fremdelte, wurde Weihbischof der Diözese Graz Seckau. Der Wechsel ging nach außen hin reibungslos über die Bühne und wurde als Belohnung Kapellaris verkauft. Intern wurde schon damals spekuliert, warum der Papst seinen Filialleiter versetzen ließ.
Insider nennen im Wesentlichen einen Grund: Viel Geld, mit dem der Bischof machen kann, was er will. Kärnten brauche, so heißt es in den Gemäuern des Kirchensitzes in der Klagenfurter Mariannengasse, einen besonders charakterfesten Bischof, der das Armutsgelübde stark verinnerlicht hat. Die Verlockungen des Reichtums sind groß. Das Bistum Gurk gehört zu den reichsten Österreichs, mit einem Vermögen im dreistelligen Millionenbereich, das auf eine Stiftung der Heiligen Hemma von Gurk zurückgeht.
Ein großer Teil des Vermögens wird als so genanntes „Mensalgut“ geführt: Gewissermaßen die Portokasse des Bischofs, über die er nach Gutdünken verfügen kann. Was freilich auch einer der Gründe ist, warum die kirchliche Führungsposition in Kärnten durchaus begehrt ist: Der Bischof in Kärnten hat im weltlichen Sinne mehr Macht als seine Amtskollegen in Salzburg, Graz oder erst recht in St. Pölten, wo mächtige Klosterchefs den nur formal obersten Kirchenführer im Zaum halten. Schon Kapellari wurde intern einst vorgehalten, von seinen finanziellen Spielräumen recht großzügig Gebrauch zu machen, etwa um seinem Faible für Kunst Genüge zu tun. Dass der gebürtige Niederösterreicher Alois Schwarz im Jahr 2001 übernahm, hatte nach Einschätzung von Kircheninsidern auch mit dessen wirtschaftlicher Expertise zu tun. In der Privatwirtschaft könnte man sagen: Schwarz wurde als Sanierer geholt.
In der Öffentlichkeit fiel der neue Bischof allerdings vor allem durch Volksnähe auf.
Anders als sein Vorgänger fremdelte der damals 49-jährige nicht mit dem Brauchtum, er sprach die Sprache der einfachen Menschen und hatte keine Scheu, auf sie zuzugehen. Als außergewöhnlicher Prediger plädierte er geschickt und mit einfachen Worten für ein gedeihliches Miteinander der Volksgruppen – während der rechtspopulistische Landeshauptmann Jörg Haider mit seiner Ortstafelpolitik Gräben aufriss. Die Kärntner Slowenen haben ihm das nicht vergessen: Sie urteilen milder über das Vermächtnis des verabschiedeten Oberhirten.
Wetzlinger als Berater. Seine Fähigkeiten als „Wirtschaftsbischof“ konnten freilich mit der Popularität im Kirchenvolk nicht mithalten. Denn diese beruhte nach übereinstimmender Auskunft vieler für diesen Artikel befragter Kircheninsider vor allem auf der Expertise von externen Beratern, denen er völlig vertraute. Zum engsten Kreis gehörte unter anderem der frühere LKH-Chef Herwig Wetzlinger, heute verantwortlich für die Wiener Spitäler und damit auch für das geplante Krankenhaus Wien Nord, das zuletzt wegen hoher Baukosten in den Medien war. Kirchenintern wurde Wetzlinger eine Zeitlang sogar als „Mastermind der Diözese“ gehandelt. Als zweiter wichtiger Einflüsterer des Bischofs galt Josef-Hermann Repplinger, derzeit Beauftragter der bischöflichen Stabsstelle für Kirche, Religion und Gesellschaft. Kritiker bezeichneten den spröden Intelektuellen als „Kleinhirn“ des Bischofs: Er schrieb dessen Reden und galt als Kopf hinter den gesellschaftspolitischen Ansagen des Kirchenchefs.
Mächtige Frau als Stolperstein. Der wirkliche Stein des Anstoßes war aber eine Frau, über deren Verhältnis zum Bischof auch kirchenintern spekuliert wird. Die Rede ist von Andrea Enzinger, nunmehr beurlaubte Leiterin des Bildungshauses St. Georgen. „Das Amt macht einsam“, spekuliert ein Insider. „Es war wohl in erster Linie eine geistige Abhängigkeit, die sich da entwickelt hat.“ Es gibt auch andere Wahrnehmungen. Letztlich ist aber die Frage, ob die strengen Grenzen des Zölibats gedehnt oder gar gebrochen wurden, in einer Zeit, in der sich viele Dorfpfarrer mit ihrer Geliebten ohne Konsequenzen in der Öffentlichkeit zeigen, für die meisten kirchlichen Würdenträger zweitrangig. „Das Problem“, so formuliert es ein langjähriger Kritiker des Bischofs, „liegt darin, dass Privates mit Geschäftlichem vermischt wurde.“ Denn die engste Vertraute des Bischofs stieg im Laufe der Jahre zur heimlichen Machthaberin der Diözese auf. Nach übereinstimmenden Berichten war sie die eigentliche Geschäftsführerin des Bischofs, der ihre Entscheidungen absegnete.
Frühe Warnsignale. Das machte schon vor zehn Jahren in der Öffentlichkeit die Runde – nicht nur in Kärnten. Die Bischofskonferenz, das mächtigste kirchliche Gremium in Österreich, war nachweislich bereits 2008 davon im Bilde. Der damalige Salzburger Oberhirte Alois Kothgasser kam zur Visite nach Kärnten, um sich von den Zuständen ein Bild zu machen. Sein lange unter Verschluss gehaltener Abschlussbericht wurde unlängst in der Wiener „Presse“ veröffentlicht. Darin ist, für kirchliche Verhältnisse überdeutlich, von Unklarheiten darüber die Rede, wer in Kärnten „letztlich die Entscheidungen trifft“ und „welche die Vertrauten, Berater und Beraterinnen des Bischofs“ seien.
Ungefähr zur selben Zeit formierte sich in Kärnten der innerkirchliche Widerstand gegen das „Küchenkabinett“ des Bischofs. Prominentester Fürsprecher der Schwarz-Kritiker war ausgerechnet sein Generalvikar Gerhard Kalidz, der als solcher dem Kirchenchef zu absolutem Gehorsam verpflichtet ist. Auch zahlreiche Geistliche muckten auf, wie der damalige Klagenfurter Stadtpfarrer Klaus Donko, der Dechant von St. Jakob Georg Buch oder Universitätsseelsorger Hans-Peter Premur.
Gegenspieler. Einige Kritiker mussten dafür bezahlen: Donko wurde zum Stiftspfarrer in Maria Saal degradiert, Kalidz musste den prestigeträchtigen Job als Generalvikar aufgeben und wurde Stiftspfarrer in Gurk. Allerdings: Dort konzentrierte sich der machtbewusste Kalidz nicht nur auf die Sanierung des Doms und die Herstellung von Kräuterschnäpsen. Er gab trotzdem im heimlichen Kraftfeld der Kärntner Kirche den Ton an und war Mitglied des Domkapitels, eine Art Ältestenrat der Kirche.
Obwohl die Kritiker des Bischofs weitgehend zum Schweigen gebracht wurden, zeigte die Rüge der Bischofskonferenz Konsequenzen. Andrea Enzinger zog sich aus dem kirchlichen Tagesgeschäft zurück, für einige Zeit kehrte Ruhe ein. Doch vor einigen Jahren feierte die machtbewusste Kirchenfrau ein starkes Comeback. Sie wurde Leiterin des Bildungshauses St. Georgen und baute ihren Einfluss noch aus. „Es war auch klar, dass jeder Kontakt zum Bischof nur über sie laufen kann und dass er tut, was sie sagt“, erzählt ein Funktionär des kirchlichen Mittelbaus.
Geheimdienstchef ermittelte. Erneut regte sich breiter Widerstand. Und dann geschah etwas, das wohl auch für Rom das Fass zum Überlaufen gebracht haben dürfte. Der Bischof engagierte den früheren Geheimdienstchef und nunmehrigen Sicherheitsmann René Polli – offiziell, um nach Schwachstellen in der Kirche zu suchen. Als die Sache öffentlich wurde, redete sich der Bischof heraus: Das Engagement sei in Absprache mit Nuntius Peter Stephan Zurbriggen, dem Statthalter des Papstes in Österreich, erfolgt. War es nicht. Der Nuntius hatte den Sanktus nie gegeben.
Alois Schwarz wird sich seiner Fehlbarkeit langsam bewusst. In seiner Antrittsrede in St. Pölten gab er sich erstaunlich selbstkritisch. „Ich meine, etwas verstanden zu haben“, sagte er. „Der Herr bringt uns manchmal in verantwortliche Positionen und dann lässt er uns erfahren, dass wir schwach, zerbrechlich und mühselig und beladen sind.“
Das exklusive MONAT-Interview mit Andrea Enzinger lesen Sie hier.
Erschienen in: Kärntner MONAT 08/2018 - Abdruck honorarpflichtig!
Foto: Karlheinz Fessl