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Lifestyle | 28.12.2021

Ein fesselnder Vertrag

EXKLUSIV: Mit schmucken Videos und viel Druck will sich Flughafen-Eigentümer Lilihill gewinnträchtige Grundstücke einverleiben. Der Vertragsentwurf dazu wird geheim gehalten. Wieder einmal. Der Kärntner MONAT deckt auf, warum der Investor kein Interesse daran haben dürfte, dass Details an die Öffentlichkeit gelangen.

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EXKLUSIV: Der MONAT hat Einblick in den geheimen Vertrag
Text Franz Miklautz Fotos Christian Brandstätter, Gert Eggenberger/APA/picturedesk.com, KBV/OTS
Jetzt soll es also Gerhard Seifried richten. Der ehemalige SPÖ-Pressereferent, ORF-Redakteur und Bürgermeister von Wolfsberg hat in seiner Viertkarriere als
PR-Berater einen nicht ganz alltäglichen Auftrag: Er soll die Kommunikationsarbeit der Lilihill-Gruppe von Franz Peter Orasch aufpolieren.
Das dürfte spannend werden. Denn rund um den Klagenfurter Flughafen, dort ist Lilihill Mehrheitseigentümer, ist ein veritabler Streit um 49 Hektar Land ausgebrochen. Für die einen sind es schlicht nicht betriebsnotwendige Grundstücke, die Orasch einer seiner Gesellschaften eingemeinden will. Aus Sicht der öffentlichen Hand - Stadt Klagenfurt und Land Kärnten sind Minderheitseigentümer - handelt es sich allerdings um gewinnträchtigen Grund und Boden in bester Lage.
Orasch gilt seit der Übernahme von 74,9 Prozent an der Kärntner Flughafenbetriebsgesellschaft (KFBG) als schwieriger Investor mit lautstarken Auftritten gegenüber den Minderheitseigentümern. Einem Anwaltsbrief an einen Ausschuss des Kärntner Landtages folgte eine polternde Diskussion im Klagenfurter Gemeinderat. Seitdem erhöht Orasch Schritt für Schritt den Druck auf Vertreter des
Landes, weitere Anteile am Airport an die Lilihill-Gruppe zu verkaufen. Obwohl seit
der Übernahme vor nunmehr dreieinhalb Jahren von Investitionen am Airport wenig bis gar nichts zu sehen ist.
Rute ins Fenster. Nun also Seifried. Mit dem PR-Profi als Anchor wirbt man um Sympathie. Zuletzt sollte unter anderem eine breit angelegte Social Media-Kampagne mit Videoclips für gute Laune sorgen. In der vorweihnachtlichen Generalversammlung des Flughafens wollte Orasch über eine rasche Weichenstellung zugunsten der Lilihill abstimmen lassen – nicht ohne Land und Stadt quasi präventiv die Rute ins Fenster zu stellen: Sollten die Minderheitsgesellschafter dem Verkauf der knapp 49 Hektar an eine Lilihill-Gesellschaft nicht zustimmen, drohe das Ende des Airports. Den Kaufpreis schlug Orasch – über ein von der KFBG in Auftrag gegebenes Gutachten – gleich selbst vor: 17,8 Millionen Euro.
Noch rechtzeitig vor der Sitzung bastelte Seifried dem Investor in Rekordzeit einen eigenen Webkanal: Den Lilihill-Infochannel. Dort wird in Kurzvideos schon mal zwischen „Gut und Böse“ unterschieden. Nach der Generalversammlung tauchte wieder so ein Clip auf: „Die Stadt Klagenfurt hat das enorme Zukunftspotenzial (neuer Ausbaupläne, Anm.) erkannt und spielt eine konstruktive Rolle.“ Eine Adelung im Investoren-TV. Anderen streute man weniger Rosen: „Seitens des Landes Kärnten nehmen Einzelne noch eine ablehnende Haltung ein (...). Wer ständig Nein sagt, gefährdet den Flughafen (...).“ Es sei „Zeit, zum Wohle des Landes Kärnten“ zu agieren. Eine Breitseite gegen das Land.
Die ursprünglichen Pläne der Lilihill, eine Milliarde Euro in den Flughafen zu stecken, sind inzwischen Geschichte. Nunmehr sollen es 450 Millionen Euro sein, die Orasch investieren will: Ein Airport-Hotel soll entstehen, ein Mehrzweckgebäude, ein Nahversorger, ein Parkhaus, ein Businesspark, ein Logistikzentrum und eine Photovoltaikanlage mit 70.000 Quadratmetern. Im Gegenzug will Orasch die 49 Hektar. Aber nicht nur die, wie gleich klar werden wird.
Denn obwohl Seifried jede der mittlerweile zehn Videoepisoden mit „Bei uns
erhalten Sie Informationen aus erster Hand“ abschließt, werden weitreichende Folgen des von Orasch geforderten Grundstücksdeals der Öffentlichkeit nicht mitgeteilt.
Drückender Vertrag. Hätte das Land dem Verkauf an Orasch in der Generalversammlung zugestimmt, wären nicht nur 49 Hektar auf einen Schlag weg gewesen. Oraschs Plan hat vielmehr drastische Auswirkungen auf den Airport und damit die öffentliche Hand. Und das jahrzehntelang: Der Flughafen soll nämlich Teile der Flächen, die Orasch nun haben will, nach dem Deal wieder von ihm zurückmieten müssen. Mit fallweise beachtlich langen Laufzeiten. So etwa
beim Mehrzweckgebäude: Das soll die KFBG nach Eröffnung für knapp 11 Euro pro Quadratmeter (kalt) von Orasch mieten. Laufzeit: 40 Jahre. Der Bau soll mindestens 2500 Quadratmeter Bruttogeschossfläche (BGF) haben. Oder das Parkhaus: Hier muss die KFBG Orasch von vornherein 400 bis 600 Stellplätze vertraglich abnehmen. Für 100 Euro pro Platz – monatlich. Laufzeit: Ebenfalls 40 Jahre. Auch beim geplanten Nahversorger wird der Flughafen in die Pflicht genommen: Hier sind 2000 Quadratmeter BGF geplant. Mietzins für die Handelsflächen: 12 Euro je Quadratmeter. Laufzeit: 25 Jahre. Zusätzlich muss sich der Flughafen dazu verpflichten, die derzeit noch auf dem Grundstück befindlichen Bauten rückzubauen.
Das Land will eine
europaweite
Ausschreibung.
Martin Payer, KBV-Vorstand
In der Tonart geht es weiter: Beim Hotel verpflichtet sich die KFBG zu einem Abnahmekontingent von 300 Nächtigungen pro Jahr – für mindestens zehn Jahre. Die vom Flughafen gebrachten Hotelgäste bekommen 15 Prozent Vergünstigung. Und dem geplanten Kongresszentrum muss der Airport ein Kontingent von zehn Veranstaltungen pro Jahr abkaufen (à 35 Personen). Mindestens zehn Jahre lang.
Sogar ihren Energiebedarf muss die KFBG – und ihre am Standort befindlichen Tochtergesellschaften – vorrangig über Orasch‘ 70.000-Quadratmeter-Solarpanele beziehen. Beim geplanten Logistikzentrum soll der Airport auch die Erschließung gewährleisten und Orasch Dienstbarkeiten auf verbleibendem Flughafen-Grund einräumen. Und auf jenem Grundstück, auf denen Geschäfts-, Büro- und Verwaltungsflächen entstehen, ist die KFBG dazu verpflichtet, die Lilihill kostenlos bei der Anbindung der Flächen an Vorfeld und Piste zu unterstützen. So-
weit die Pläne. Ein Vertrags-Eldorado für den Investor.
Risikostreuung. Die 49 Hektar sollen in Teilgrundstücken an neun Tochtergesellschaften von Oraschs Lilihill Aviation City Beteiligung GmbH verkauft werden. Die Grundstücke sind mit einem Veräußerungsverbot belegt, das jedoch mit Inbetriebnahme der jeweiligen Objekte
endet. Verstößt Orasch gegen das Veräußerungsverbot, muss das Vierfache des
Kaufpreises an die KFBG bezahlt werden. Aber hier kommt nicht – wie von
Lilihill erklärt – der gesamte Kaufpreis von 17,8 Millionen mal vier zum Tragen. Sondern: Die Tochterfirma, die das Veräußerungsverbot missachtet, muss das Vierfache ihres jeweiligen Kaufpreises bezahlen. Ein Beispiel: Veräußert eine der neun Töchter ein Grundstück von etwa 4000 Quadratmetern, für das sie der KFBG 864.000 Euro bezahlt hat, muss sie in Folge knapp 3,5 Millionen berappen. Orasch hat sein Risiko gestreut.
Die Fristen für die Fertigstellung der Bauprojekte gehen teils bis ins nächste Jahrzehnt. Inbetriebnahme des Logistik- und Technologieparks: 2033. Energiepark: 2032. Kongresszentrum: 2032. Hotel: Ende 2031. Parkhaus: Ende 2030. Nahversorger: 2029. Mehrzweckgebäude: 2029. Die beträchtliche Realisierungsdauer könnte der Tatsache geschuldet sein, dass die Lilihill-Gruppe bei Überschreitung der angekündigten Termine das Fünffache des Kaufpreises an die KFBG zu leisten hätte. Alternativ könnte die KFBG – in der Orasch mehrheitlich das Sagen hat – bei Überschreitung des Fertigstellungsdatums vom Kaufvertrag zurücktreten. In diesem Fall erhält die Lilihill-Tochter nur die Hälfte des Kaufpreises zurück.
Millionenregen für Billigflieger. Was die Lilihill-Clips der Öffentlichkeit noch vorenthalten, ist die Strategie, wie der Flughafen im Jahr 2026 die versprochenen rund 500.000 Passagiere erreichen will. Auch hier fördern MONAT-Recherchen Brisantes zutage. Orasch greift auf ein altes Konzept zurück: Billigflieger sollen mit Millionengeschenken nach Klagenfurt gelockt werden. Bereits 2022 sollen vom geplanten Aviation-Umsatz von sechs Millionen Euro satte drei Millionen in die sogenannten Incentives gepulvert werden. Also in die Subventionierung von Airlines, die in Klagenfurt landen. Die Prognose spricht von 350.000 Passagieren, die 2026 mit einer Billigairline von oder nach Klagenfurt fliegen sollen. 70 Prozent des Gesamtaufkommens.
„Das ist eine übliche Vorgehensweise auf allen Flughäfen, um Wachstum zu generieren und Strecken gemeinsam mit den Airline-Partnern langfristig erfolgreich zu etablieren“, sagt Seifried auf Anfrage. „Mit der Einführung eines attraktiven Incentive-Programms ab 1. Jänner 2022 werden vor allem neue Destinationen gefördert, aber auch Passagierwachstum auf den aktuell bedienten Routen incentiviert.“ Das Konzept ist nichts Neues: Der Airport Klagenfurt pumpte schon einmal Millionen in Low Cost Carrier. Mit durchwachsenem Erfolg: Als die Beihilfen von der EU als wettbewerbswidrig abgedreht wurden, flogen auch die Billigflieger wieder ab. Womit der Sinkflug des Airports begann.
Und man einen Investor suchen musste: Orasch.
Hält diese Strategie bis zur Inbetriebnahme einzelner Objekte, würde der Flughafen, er ist (heute) immerhin noch zu 25 Prozent in öffentlichem Eigentum, zudem einen Teil der Kundschaft von Oraschs „Aviation City“ subventionieren.
Seifried betont, dass die KFBG bereits mit Fluglinien in Verhandlungen stünde. Die Namen der Airlines würden aber nicht genannt – man wolle geheim bleiben, solange noch nicht alles unter Dach und Fach ist.
Das ist eine übliche
Vorgehensweise auf
allen Flughäfen,
um Wachstum zu
generieren.
Gerhard Seifried, Lilihill-Sprecher, zu Incentives
Pacht oder Baurecht. „Alternativlos“, wie von Lilihill propagiert, wäre der Grundstücksverkauf nicht, wie der bekannte Klagenfurter Wirtschaftstreuhänder Johann Neuner sagt: Das sei nicht der Fall, „weil die Flughafengesellschaft in den nächsten Jahren die nicht betriebsnotwendigen Liegenschaften entwickeln kann und zur Umsetzung des vom Investor vorgelegten Strategieplans Teile der Liegenschaften verkaufen oder den Investoren ein Baurecht einräumen könnte“. Ein Blick ins Investitionsprogramm der KFBG gibt ihm recht: So werden 2022 „nur“ 3,8 Millionen, bis 2026 insgesamt „nur“ 16 Millionen Euro investiert. Eine Größenordnung, bei der das Land laut zuständigem Beteiligungsreferenten Martin Gruber (ÖVP) anteilig mitziehen würde. Auch ihm schwebt ein Pacht- oder Baurechtsmodell vor. Ein Verkauf zu den von Orasch angebotenen 37 Euro pro Quadratmeter erschiene auch vor dem Hintergrund, dass die Stadt Klagenfurt vor zwei Jahren für den Ankauf des Vitalbadgrundstücks vis-à-vis des Minimundus über 400 Euro pro Quadratmeter bezahlte, kaum argumentierbar. Das Elffache dessen, was Orasch nun bereit ist zu bezahlen.
Satte Gewinne. Oraschs 17,8-Millionen-Euro-Angebot wurde von der ÖRAG mittels Gutachten errechnet. Das Wiener Immobilienunternehmen hat die Summe per Residual- und Vergleichswertverfahren ermittelt. Vergleichswerte hat es dazu von acht Grundstücken eingeholt, von denen zwei im Rahmen der Recherche im digitalen Flächenkataster Kagis nicht auffindbar waren. Die anderen zum Vergleich herangezogenen Grundstücke befinden sich in St. Peter, Waltendorf, Stein, Goritschitzen und Friesach. Das Gutachten wollte Vergleichspreise von hochwertigen Grünlagen gegenüberstellen und somit landwirtschaftlich genutzte Flächen oder Ödland als Richtwerte ausschließen. Doch zumindest zwei der Vergleichsliegenschaften stehen im Kagis als für die Landwirtschaft bestimmte Flä-
chen oder Ödland. Der Residualwert ergibt sich aus dem fiktiven Veräußerungserlös und den kalkulierten Baukosten. Der Gutachter kalkulierte in das Papier satte Projektentwickler-Gewinne ein: 79 Millionen Euro.
Gruppe will Orasch überbieten. Doch jetzt könnte Orasch Ungemach drohen: Kurz vor der Generalversammlung im Dezember meldete sich ein weiterer Player im Match um die Grundstücke. Eine Investorengruppe, die vom Klagenfurter Anwalt Christian Tautschnig vertreten wird und die „mehr als 17,8 Millionen Euro für die Grundstücke bezahlen“ würde. „Unser Lead Investor ist Erwin Spiel mit der DaVinci Prime GmbH“, so Tautschnig. Sie könnte Orasch noch einen Strich durch die Rechnung machen, selbst wenn Klagenfurts Vizebürgermeister Philipp Liesnig (SPÖ) einwilligte, das ÖRAG-Gutachten bis Mitte Jänner überprüfen lassen zu wollen: Martin Payer, Vorstand der Kärntner Beteiligungsverwaltung (KBV), sie managt die Landesanteile, pocht vehement auf eine Ausschreibung der Flächen. „Das Land Kärnten will keine Liegenschaften verkaufen. Wir wollen eine europaweite Ausschreibung und einen Wettbewerb um den besten Preis und das beste Konzept“, fordert Payer.
Auch das könnte durchaus „zum Wohle des Landes Kärnten“ sein.