People | 16.03.2022 Entgeltliche Einschaltung
Gewichtsschwankungen im System

Priv.-Doz. Dr. Johanna Irrgeher,
Wissenschaftlerin vom Lehrstuhl für Allgemeine und Analytische Chemie der Montanuniversität Leoben
Auch wenn viele von der Kommission für Atomgewichte der International Union of Pure and Applied Chemistry (IUPAC) noch nie gehört haben, ihre Ergebnisse kennen wir alle aus dem Chemiebuch. Zu finden sind sie im Periodensystem der Elemente. Bei jedem chemischen Element ist auch das Atomgewicht vermerkt.
STEIRERIN: Es scheint, als ob diese Werte fix definiert sind. Was macht also die Kommission?
Johanna Irrgeher: Die Werte für die Atomgewichte* sind keine Naturkonstanten, wie oft geglaubt wird, sondern basieren auf unserem aktuellen Wissensstand und dieser verändert sich bekannterweise stetig. Wenn nun neue Messungen von etwa dem Element Zink und seinen Isotopen neue Erkenntnisse liefern, kann dies zu einer Anpassung des Atomgewichts für Zink führen. Die Kommission besteht aus etwa 10 bis 15 internationalen Mitgliedern und hat genau diese Aufgabe. Wir sammeln publizierte Messdaten der Isotope der Elemente und evaluieren, ob aufgrund dieser neuen Daten das Atomgewicht eines Elements angepasst werden muss. Solche Änderungen führen in der Folge auch zur Adaptierung der Werte auf dem Periodensystem der Elemente in Schulbüchern oder im Chemiesaal.
Die Kommission für Atomgewichte besteht seit über 100 Jahren. Namhafte Forscher*innen wie Francis Aston und Marie Curie waren bereits Mitglied. Wie fühlt es sich an, an deren Spitze zu stehen?
Zum Chair der Kommission gewählt worden zu sein, ist eine hohe Anerkennung durch meine Kolleg*innen der Kommission und durch die IUPAC. Das ehrt mich natürlich sehr. Vor der Verantwortung, die damit verbunden ist, habe ich großen
Respekt und ich freue mich, diese Aufgabe mit bestem Wissen und Gewissen zu übernehmen.

Wann wussten Sie, dass die „Chemie stimmt“, und haben Sie sich für eine Laufbahn als Chemikerin entschieden? Haben Sie einen Tipp für alle Nachwuchswissenschaftler*innen?
Ich habe mich nie bewusst für eine Laufbahn als Chemikerin entschieden. Es waren viele kleine Entscheidungen an Wegkreuzungen, beginnend mit der Wahl zu den persönlichen Projekten zu Masterarbeit und Dissertation, freilich mit einer großen Affinität zur Analytischen Chemie. Danach waren es berufliche Gelegenheiten, für oder gegen welche ich mich bewusst entschieden habe. Ich bin immer meinem Bauchgefühl gefolgt und kann das jungen Menschen, unabhängig vom Fach, nur empfehlen. Sich selbst treu zu bleiben und ein gutes Gefühl bei wegweisenden Entscheidungen zu haben, sind die Schlüssel, dass „die Chemie stimmt“ – mit oder
ohne Chemie.
* Das Standardatomgewicht eines chemischen Elements ist das gewichtete arithmetische Mittel der relativen Isotopenmassen aller Isotope dieses Elements, gewichtet nach der Häufigkeit jedes Isotops auf der Erde.