People | 18.03.2015
Der Jedermann-Rockstar
Er sieht nicht nur aus wie ein Rockstar, er schafft es auch wie ein Rockstar, jüngeres Publikum ins Theater zu locken. Philipp Hochmair wuchs im 16. Wiener Gemeindebezirk auf, studierte – als einziger Österreicher seiner Klasse – am Max Reinhardt Seminar bei Schauspielgröße Klaus Maria Brandauer und ist seither ein viel beschäftigter Theater- und Filmschauspieler. Zu seinen Stationen zäh-len das renommierte Wiener Burgtheater (er wurde sogar in die dortige Ehrengalerie aufgenommen) ebenso wie das Schauspielhaus Zürich, das Deutsche Theater Berlin oder das Thalia Theater in Hamburg. Philipp Hochmairs Rollen sind vielseitig: Er ist der „Jedermann“ des 21. Jahrhunderts, spielte u. a. Josef K. aus Kafkas „Der Prozess“, gab Goethes „Werther“, wirkte im „Tatort“ mit, in „SOKO Donau“ oder in Filmen wie „Die Manns. Ein Jahrhundertroman“. Am 9. April führt er gemeinsam mit seiner Band Elektrohand Gottes das vom Soroptimist Club Linz Lentos als Benefizveranstaltung organisierte Sprechkonzert „Jedermann – Reloaded“ auf, eine experimentelle Version des Mysterienspiels „Jedermann“ von Hugo von Hofmannsthal.
Sie verbrachten als Kind viel Zeit bei Ihren Großeltern in Haag am Hausruck. Was verbinden Sie mit Oberösterreich?
Oberösterreich ist für mich identitätsspendend, besonders das Kulinarische, und bedeutet für mich Freiheit und kulturelle Identität. Gerade wenn man älter wird, greift man auf seine Wurzeln zurück, da kommt bei mir Haag wieder zum Vorschein. Zur Zeit wohne ich in Hamburg, ein starker Kontrast zu Haag, aber das oberösterreichische Kind in mir ist immer präsent. Bis zur Volksschule war ich viel in Oberösterreich bei meiner Großmutter und diese Zeit hat mich sicher sehr geprägt.
Ist für OÖ-Besuche heute noch Zeit?
Ich komme schon diese Woche wieder, um den ORF-Bundeslandkrimi für Ober-österreich zu drehen. Ich bin irgendwie stolz, dass ich gerade da dabei bin. Ich habe noch viele Freunde in Haag. Und da gibt es ein paar Künstler, die sich im Ort einen Hof gekauft haben und so vor dem Abriss gerettet haben. Den „Mülikoasahof“, der dann mit Hilfe von EU-Geldern in ein kulturelles Zentrum umgebaut wurde. Ich bin dort immer wieder aufgetreten und hab mich engagiert. Das ist eine wichtige Verbindung.
Wann wurde Ihnen klar, dass Sie Schauspieler werden möchten? Gab es ein Schlüsselerlebnis?
Ja. Wir haben in der Schule einen Film gesehen, „The Outsiders“ von Francis Ford Coppola. Da gibt es diesen jungen Anführer einer kriminellen Bande, der ein Gedicht aufsagt, während die Sonne aufgeht. An der Stelle stoppte die Englischlehrerin das Video und meinte: „Ihr seid in einem guten Gymnasium in Wien und keiner kann ein Gedicht auswendig?“ Nachdem niemand sich gemeldet hatte, stand ich in der letzten Reihe auf, sprang auf den Tisch und trug den „Totentanz“ von Goethe vor. Da wusste ich, dass ich Schauspieler werden will.
Als Schauspieler spielt man eine Rolle unzählige Male, Sie spielen oft auch mehrere Rollen nebeneinander. Besteht da nicht Gefahr, seine eigene Identität mal zu verlieren?
Als Schauspieler geht es immer um die Frage nach Identität. Wer bin ich? Was ist meine Rolle? Wenn man so viel spielt wie ich, vermischt sich das zwangsläufig ständig. Ich habe das Gefühl, dass ich mich immer irgendwie selber spiele; in jeder Rolle ist was von mir drin. Ich gehe sehr hemmungslos und exzessiv in meine Rollen – ob völlig nackt zur Zeit als „Siegfried“ am Thalia Theater in Hamburg oder als schwuler Politiker in den „Vorstadtweibern“. Das Hauptaugenmerk ist immer das Experiment mit mir selbst.
Wie kam es zur Rolle des schwulen Politikers Joachim Schnitzler in der neuen ORF-Erfolgsserie „Vorstadtweiber“?
Das ist ganz profan: Da wird eine Serie geplant, in der ein Minister auftritt und dann fragen sich die Produzenten, wer das spielen kann. Dann gab ein Casting. Ich hatte mich anfangs nach Lektüre der ersten Drehbücher mehr für die Hauptrolle „Georg Schneider“ interessiert, aber jetzt bin ich sehr froh, dass ich der Verkehrsminister „Joachim Schnitzler“ bin. Das passt, denke ich, sehr gut.
„Vorstadtweiber“ ist ein totaler Quotenhit. Warum, glauben Sie, interessiert das die Leute so?
Weil es freizügig ist und lustig und Tabus anspricht. Es haben sicher alle von uns Geheimnisse, aber man versucht stets, den äußerlichen Schein zu wahren. „Vorstadtweiber“ geht mit Humor hinter diesen Schein. Die bereits ausgestrahlte vierte Folge hat, denke ich, Fernsehgeschichte geschrieben, weil man da erstmals im Hauptabendprogramm körperliche Liebe zwischen zwei Männern sieht.
Spielt man am renommierten Wiener Burgtheater, hat man es als Schauspieler geschafft. Wie bleiben Sie am Boden?
Das Burgtheater ist sicher ein Statussymbol und da freuen sich die Nachbarn in Haag, aber die freuen sich wahrscheinlich noch mehr über die „Vorstadtweiber“. Ich versuche, frei zu sein im Kopf. Das Burgtheater war ohne Zweifel eine sehr wichtige Station in meiner Entwicklung. Ein Geschenk.Als ich Philipp Hochmair ausbessere und meine, sein Engagement am Burgtheater wäre im Grunde kein Geschenk, weil er es selbst erreicht hat, schmunzelt er nur bescheiden: „Ja, stimmt.“