People | 23.09.2015
'Ich werde nie perfekt sein!"
Sophie Karmasin strahlt. Mit Mann und Söhnen (elf und 14 Jahre) hat sie eine Woche Hausboot-Urlaub in Frankreich hinter sich, gestärkt geht es nun in einen politisch heißen Herbst. Das Interview über Familie, Facebook, Asylanten und Älterwerden …
Sie sind berufstätige Mutter von zwei Kindern und die haben zwei Monate Ferien hinter sich. Ist schlechtes Gewissen für Sie ein Thema?
Das schlechte Gewissen war stärker, als die Kinder noch klein waren, ist aber auch schnell wieder verflogen. Ich habe ein starkes Familiennetzwerk, da fällt die Betreuung leichter.
Beschweren sich Ihre Kinder manchmal darüber, dass Sie weniger Zeit als andere Mütter für sie haben?
Sehr selten. Sie sind stolz auf mich.
Sie haben vor Ihrer Zeit als Ministerin im Familienunternehmen gearbeitet. Wie lange sind Sie nach der Geburt der Kinder daheim geblieben?
Ich bin sehr schnell wieder stundenweise eingestiegen, weil ich im Familienunternehmen die Geschäftsführung über hatte. Nach ein paar Monaten bin ich jeweils wieder ganz eingestiegen. Es ging auch nicht anders.
Frauen können derzeit bis zu drei Jahre in Karenz gehen. Ist das Ihrer Meinung nach wirklich frauenfreundlich oder drängt es die Frauen aus dem Arbeitsmarkt?
Natürlich bleiben Frauen durch die derzeitige Karenzlösung tendenziell länger zu Hause. Auch, weil die Langvariante des Kinderbetreuungsgeldes momentan in Summe mehr Geld bringt. Mit der anstehenden Reform sollen künftig alle Varianten in Summe gleich viel erhalten.
Sie möchten Österreich bis zum Jahr 2025 zum familienfreundlichsten Land machen. Wie konkret?
Allen voran arbeite ich an der optimalen Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dazu ist flächendeckende und qualitativ hochwertige Kinderbetreuung nötig. Und natürlich mehr Partnerschaftlichkeit. Echte Wahlfreiheit hat für mich oberste Priorität. Deswegen investieren wir auch 350 Millionen Euro in den Ausbau der Kinderbetreuung.
Die Zahl der Österreicher, die Kinderbetreuungsgeld beziehen, sinkt. Die Zahl der Ausländer in Österreich, die Kinderbetreuungsgeld beziehen, steigt. Wie begründen Sie das?
Durch die Inanspruchnahme der Kurzvarianten des Kinderbetreuungsgeldes entsteht in der Monatsstatistik der Eindruck, dass es weniger BezieherInnen wären. In absoluten Zahlen gibt es nur geringfügige Schwankungen bei der Anzahl der nicht österreichischen BezieherInnen.
Sie sprechen viel von Partnerschaftlichkeit. Wie kann die Gleichstellung von Frauen und Männern nun wirklich verbessert werden?
Eine gute Ausbildung und ein gesundes Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten sind besonders wichtig. Deswegen setzen wir bereits im Kindergarten mit stärkenorientierter Pädagogik an. Ziel ist, dass Mädchen und Burschen sich aller Potenziale, Kompetenzen und Stärken bewusst sind. Man muss also wirklich schon bei den ganz Kleinen ansetzen.
Ihr Rezept, um Väter stärker in die Familienarbeit einzubeziehen?
Künftig sollen Eltern, die sich die Karenz partnerschaftlich aufteilen, einen finanziellen Bonus erhalten. Das schafft Anreize, um den Väteranteil zu heben.
Wie können Sie als Familienministerin alleinerziehende Mütter unterstützen?
Für Alleinerzieherinnen gibt es neben Alleinerzieherabsetzbetrag und Alleinverdienerabsetzbetrag auch die Härtefallverlängerung beim Kinderbetreuungsgeld, die Beihilfe zum pauschalen Kinderbetreuungsgeld sowie den Familienhärteausgleich.
Viele junge Frauen mit Familie finden den beruflichen Anschluss nicht mehr. Wie kann die wirtschaftliche Eigenständigkeit der Frauen offiziell gefördert werden?
Leider sehen noch nicht alle jungen Frauen finanzielle Unabhängigkeit als erstrebenswertes Ziel. Abhängigkeit kann schwerwiegende Folgen haben. Ich bin ein Fan von nicht verpflichtenden Ganztagsschulen, die die Vereinbarkeit natürlich enorm erleichtern würden.
Stichwort Frauennetzwerke. Hilfreich oder zeitraubend?
Ich bin seit Jahren im überparteilichen Klub für Frauen, das ist aber kein klassisches Netzwerk.
Stichwort Wien-Wahl im Oktober. Ihre Prognose?
Da fragen Sie derzeit die Falsche. In meinem früheren Job als Meinungsforscherin hätte ich es Ihnen sagen können.
Stichwort US-Wahlkampf. Ihre Meinung zu Hillary Clinton?
Eine inspirierende Frau. Ich denke, sie würde einen guten Job machen.
Ist Österreich reif für eine Bundespräsidentin?
Das ist der nächste logische Schritt, dass jetzt eine Frau kommt. Und es gibt viele, die hier großes Potenzial aufweisen.
Wie „öffentlich“ darf eine Familienministerin sein?
Natürlich bin ich als Politikerin eine Person des öffentlichen Lebens, aber meine Privatsphäre ist mir heilig. Ich habe nicht einmal einen privaten Facebook-Account.
Posten Ihre Kinder?
Nein, die interessiert das überhaupt nicht.
Finden Sie die sozialen Medien wichtig oder überbewertet?
Wichtig. Als Familien- und Jugendministerin bin ich auf Facebook und auch auf Instagram.
Vor die Wahl gestellt: Lieber ein gutes Buch lesen oder die aktuellen Magazine durchblättern?
Ein gutes Sachbuch ziehe ich immer vor.
Wie gehen Sie mit dem Asylantenthema in der eigenen Familie um? Sprechen Sie mit Ihren Kindern darüber?
Ja. Wir haben Spielsachen, Räder und Kleidungsstücke gesammelt und weitergegeben. In der Gemeinde Mondsee wird bereits sehr viel für Asylsuchende getan. Dort wird Integration vorbildlich gelebt. Die Hilfsbereitschaft der Leute ist enorm. Ich glaube, dass jeder gefordert ist, einen positiven Zugang zu finden. Jeder kann helfen.
Ganz persönlich: Wie gehen Sie mit dem Älterwerden um? Und mit dem Schönheitsdruck?
Die nahende Zahl 50 ist mir nicht egal, das gebe ich schon zu. Dem Schönheitsdruck stehe ich entspannt gegenüber. Ich bin nicht perfekt und werde es nie sein.