TECH-GIGANTEN SETZEN AUF KÄRNTEN

Dr. Markus Pistauer im Gespräch

11 Min.

© CISC

Das Who-is-Who des Silicon Valley vertraut auf die Expertise einer Kärntner Firma: Zum 25-jährigen Firmenjubiläum spricht Unternehmer Markus Pistauer über berufliche Meilensteine,
Chancen und Herausforderungen von Künstlicher Intelligenz und die Zukunft unserer vernetzten
Gesellschaft.

Unsere Gesellschaft gleicht einem Netzwerk. Immer enger sind wir nicht nur untereinander, sondern auch mit Wissen und Dienstleistungen verbunden. Und wir stehen erst am Anfang dieser Entwicklung. Mittendrin ist Markus Pistauer. Der gebürtige Klagenfurter und promovierte Elektrotechniker hat 1999 als junger Unternehmer „CISC Semiconductor“ mit Sitz in Klagenfurt, seit 2006 auch in Graz und Brno (CZ), gegründet. Was mit Halbleitern – sprich jener Technologie, auf der Mikrochips basieren – begann, wurde über die Jahre zu einer vielseitigen Firma, die zahlreiche hochtechnologische Lösungen im Hard- und Softwarebereich anbietet und auch entsprechende Forschung vorantreibt. Ziel der CISC-Produkte ist es in Kommunikationssystemen die Qualität und Sicherheit der Daten sowie die erforderliche Leistung und das störungsfreie Zusammenarbeiten mitanderen Systemen bei der Datenübertragung zu gewährleisten. Das Unternehmen bedient dabei verschiedene Märkte. Die Produkte finden Einsatz im Automobilbereich, in der Logistik, in derdrahtlosen Identifikation und Kommunikation wie etwa beim kontaktlosen Zahlen. Kunden aus aller Welt nutzen diese dann beispielsweise für Systementwicklung und -integration, beim Testen von Systemen oder in anderen, virtuellen Einsatzbereichen. Unter ihnen befinden sich einige der weltweitumsatzstärksten Unternehmen, von den viele im kalifornischen Silicon Valley, sozusagen der Welthauptstadt in Sachen Innovation, beheimatet sind. Bezahlt man an der Kassa mit Smartphone oder Smartwatch ist fast immer CISC-Technologie mit dabei, damit es reibungslos funktioniert; oderin Zukunft beispielsweise, wenn man die Autotür mit dem Smartphone öffnet. 25 Jahre sind aber in kaum einem Unternehmen eine lineare Entwicklung, besonders nicht in derTechnologiebranche. Wer im High-Tech Sektor erfolgreich sein will, muss praktisch Chamäleon-Qualitäten haben, merken wir im Gespräch mit dem sympathischen Klagenfurter: „Man kann in diesem Bereich nicht eine Sache machen und konstant damit erfolgreich sein. Wir sind abhängig von externen Entwicklungen, die nicht linear, sondern exponentiell verlaufen. Man denke daran, vor zehn Jahren waren Smartphones noch eine Sensation, heute ist die tägliche Nutzung von künstlicher Intelligenz und der ständige, unbegrenzte Zugang zu Wissen etwas völlig Normales. Und das trifft aufalle technischen Bereiche zu, man muss sich stetig an die Entwicklungen anpassen und Möglichkeiten schnell erkennen und umsetzen. Das Einzige, was in unserer Branche immer gleich bleibt, ist der Name, unsere Tätigkeit entwickelt sich immer weiter.“ Im Bereich Mikrochips passiert international gerade sehr viel. „Während der Chipkrise zur Zeit der Pandemie konnten wir bestimmte Produkte nicht ausliefern, weil uns oder unseren Kunden die Chips gefehlt haben. Mittlerweile versucht Europa mit dem European Chips Act seinen Marktanteil von 9-10% am Mikroelektronikmarkt auf 20% in dennächsten Jahren zu verdoppeln. Jetzt ist es so, dass wir in Österreich den Bedarf an Fachkräften nicht decken können. Wir brauchen zusätzlich auch gut ausgebildete Zuwanderung aus dem Ausland, um dem Personalbedarf gerecht zu werden.“ Ingenieur:innen aus den Bereichen Elektrotechnik, Hardware- und Softwareentwicklung werden genauso gesucht wie technisch versierte Marketing-und Innovationstalente.

Künstliche Intelligenz & Chancen für die Gesellschaft

Im Laborumfeld testet Pistauers Team an top-ausgebildeten Expert:innen mit Einsatz von Robotern neue Technologien, die auf Basis präziser Sensoren Aspekte wie Kommunikation, Sicherheit und Funktionalität voranbringen. Diese kommen beispielsweise in der technischen Entwicklung von Autos zum Einsatz, aber auch in einem Bereich, der uns im Alltag noch näher betrifft, nämlich bei kontaktlosen Zahlungsmethoden. Auch das aktuelle Allrounder-Thema Künstliche Intelligenz hat in letzter Zeit für die Arbeit von CISC an enormer Bedeutung gewonnen und wird auch im Alltag immer spürbarer. „Mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz sehen wir, wie manche Berufssparten langsam obsolet werden, weil eine Software oft besser und schneller arbeiten kann. KI ist einer dieser Aspekte, die von außen kommen und unternehmensintern für Umwälzungen sorgen und uns massiv betreffen, aber auch einen großen Teil der Bevölkerung. Das ist der Punkt, wo wir entscheiden müssen, auf welche Zukunftsfelder wir setzen. Künstliche Intelligenz hat ein Ausmaß erreicht, das die Lernfähigkeit und Kapazität von uns Ingenieuren in ausgewählten Bereichen überschreitet.“ EU-weite Investitionsprojekte in Forschung und Entwicklung im mikroelektronischen Sektor fokussieren sich mittlerweile verstärkt auf den Einsatz von Künstlicher Intelligenz. „Das bedeutet für das Unternehmen eine massive Steigerung der Produktivität in Sachen Softwareentwicklung, aber auch der Produktionsfähigkeiten. KI kommt bei uns nicht nur im Bereich von Algorithmen zum Einsatz, sondern auch bei der Entwicklung der darunterliegenden Hardware. Das nimmt technologisch eine große Fahrt auf. Wir wissen schon lange, dass es exponentiell wächst, aber wir nehmen das als Gesellschaft am Anfang noch nicht wahr. Das sind aber Themen, die einen enormen Einfluss darauf haben werden, wie wir uns als Gesellschaft weiterentwickeln.“ In Zukunft sieht Pistauer interdisziplinäre Partnerschaften als wichtig: „Es ist eine Herausforderung zu sehen, wo zukünftige Geschäftsmodelle und Technologien sein werden und ob wir das alleine stemmen können. Ich glaube, dass es Partnerschaften braucht. In welchem Ausmaß setzt man Schwerpunkte? Die Herausforderung ist groß und KI ist überall.“ Neue CISC-Projekte siedeln sich in Zukunft beispielsweise auch im Sektor der erneuerbaren Energien an: „Ziel ist es, verschiedene erneuerbare Energiekomponenten wie Photovoltaik oder Batterie intelligent so zu vernetzen, dass die Nutzung der Energie möglichst optimal vonstattengeht. Da geht es nicht mehr nur um Einspeisung, sondern um die Organisation der Energieverteilung. “Einflüsse von außen bedeuten aber nicht immer nur Fortschritt. „Viele Einflüsse sind positiv, aber wir haben zum Beispiel auch Kunden, die in der Motorenentwicklung arbeiten und dort Chips entwickeln. Das wurde eingestellt, als man sich EU-weit geeinigt hat ab 2035 keine Verbrennungsmotoren in Neuwagen mehr auf den Markt zu bringen.“ Besonders nah an unserem Alltag ist auch die Tätigkeit der CISC-Tochterfirma COYERO, die ebenfallsim Klagenfurter Lakeside Park angesiedelt ist. Dabei handelt es sich um eine digitale Plattform, die unsere täglichen Aktivitäten organisierter, einfacher und intelligenter macht: „Die Technologie besteht darin, dass wir verschiedene digitale Angebote, die auf Infrastruktur basieren, unter einen Hut bringen und diese miteinander kombinieren können. Ein Beispiel: Ein digitales Infrastrukturangebot ist der Zugang zum Strandbad und ein anderes ist der öffentliche Verkehr. Überdie Plattform kommen jetzt verschiedene Anbieter zusammen. Es geht aber wesentlich weiter über die Idee hinaus, alles zu buchen, ohne mich überall separat anmelden zu müssen. Es hebt regionale Aktivitäten hervor und kann in Kombinationen einen Mehrwert zum Beispiel in Form von Ermäßigungen oder besserer Nutzung von Ressourcen schaffen. Es kann dabei helfen, die User zu öffentlichen Verkehrsmitteln zu motivieren oder konkret zugeschnittene Angebote liefern. Wenn etwa ein Sportler im September auf Urlaub kommt, kann ein Hotel beispielsweise ein Package schnüren und ihm den idealen Aufenthalt ermöglichen. Der Unterschied zu analogen Systemen ist, dass ich den Anwendern Zusatzinformationen digital zukommen lassen kann. Etwa, heute gibt eseine Sonderausstellung oder diese Attraktion ist ausgebucht, hier ist eine Alternative, womit auch Besucherströme reguliert werden können.“

Die Freude an der Arbeit

Nach 25 Jahren steht Pistauer jedenfalls nach wie vor mit Leidenschaft hinter seinem Unternehmen: „Hätte mir 1999 jemand erzählt, dass einige der umsatzstärksten Unternehmen der Welt irgendwannunsere Kunden sein werden, hätte ich das für völlig verrückt erklärt. Das Schöne an Visionen ist, dassman auch manchmal Dinge erreicht, die man sich nicht vorgestellt hätte.“ Sein Erfolgsrezept verortet Pistauer vor allem in seiner persönlichen Begeisterung und Anpassungsfähigkeit. „Ich habe als Ingenieur eine große Begeisterung für neue Dinge, für das was Technologie bieten kann, und habe schnell Bilder im Kopf, was man damit realisieren könnte. Man fragt sich nach 25 Jahren natürlich, obman alles richtig gemacht hat. Themen und Dinge, die man tut, verändern sich, oft ist es in unserer Branche notwendig, ein ganz spezielles Produkt für eine kurze Zeit zu entwickeln – und danach wandelt sich die Situation wieder.“ Es gibt auch Situationen, in denen sich Dinge nicht so entwickeln,wie erwartet: „Ich bin als Unternehmer von Natur aus ungeduldig. Ich habe es auch des Öfteren falsch eingeschätzt, wie lange es dauern kann Technologie anwendbar und greifbar zu machen, als ich es für möglich gehalten hätte. Vor einigen Jahren war ich guter Dinge bei der Einführung eines neuen Produktes, was aber schließlich länger gedauert hat als erwartet.“ In solchen Situationenbraucht es dann wieder die Anpassungsfähigkeit: „Damals haben wir beispielsweise die Verwendungvon QR-Codes zur Identifikation von Personen als noch nicht geeignet empfunden und haben vieles vereinfacht und schließlich auf elektronische Identifikation gesetzt. QR-Codes haben einfach länger gebraucht, um sich zu etablieren und wurden in ihrer Funktion und ihrem Nutzen der breiten Masse erst durch die Pandemie bekannt, auch wenn es für uns als Ingenieure eigentlich eine uralte Technologie ist. Das sind Herausforderungen, denen wir uns intern täglich stellen.“ Besonders stolzist der Unternehmer auf sein Team an den verschiedenen Standorten. „Mir geht es auch darum, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die viel Zeit im Büro verbringen, Freude an ihrer Arbeit haben. Dass man seine eigenen Fähigkeiten einbringen kann, dass man sichgefordert fühlt und auch Werte lebt.“ Er schätzt zudem die Bereitschaft seines Teams, sich Herausforderungen zu stellen und sich anzupassen. Als Lohn wartet mitunter eine beachtliche Karriere: „Es haben eine Reihe an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei uns gearbeitet, die jetzt anUniversitäten ihren Postdoc machen, selbst ein Unternehmen gegründet haben oder auch dauerhaft geblieben sind. Ich freue mich, dass sie in einem Bereich tätig sind, der ihnen Spaß macht. Und wirempfinden genauso Freude, wenn wir sehen, wie wir unsere Leistungen erbringen und in vielenDingen präsent sind. Wenn man im Supermarkt mit dem Handy an der Kasse bezahlt und dasreibungslos funktioniert ist das eine Leistung, die wir mit unseren Testsystemen erbringen. Oderwenn man mit einem selbstfahrenden Fahrzeug sicher unterwegs ist und der Sensor den Lenkradwinkel richtig abnimmt, steckt da ebenfalls Technologieentwicklung von uns drin, oder wenn Menschen nach Klagenfurt auf Besuch kommen und hier unsere App Coyero verwenden. Und wennich jetzt zurückschaue, ergibt das für mich – war gut. Ist gut!“

Kärnten vs. USA

Das Silicon Valley und die USA sind ein strategisch und wirtschaftlich essentieller Standort. Alswichtigster Absatzmarkt für CISC war es daher 2012 ein großer und logischer Schritt für Pistauer dieTochtergesellschaft CISC Semiconductor Corp. vor Ort in den USA zu gründen. Dort trifft man sich unter Masterminds der Technologiebranche zum Kaffee, tauscht sich aus. „Der Zugang zu neuenTechnologien aber auch wie schnell man über Probleme hinwegkommt, ist dort beachtlich. Die USA entwickeln sich aus unserer unternehmerischer Sicht bisher besser als Europa. Der Umgang mitInnovation und das Umfeld sind dort ein anderes, und das bringt schließlich Inspiration undMotivation. Dort sitzt man an vorderster Front.“ In unseren Bereitengraden fehle diese gewisse Offenheit im Umgang mit Innovation noch. Kärnten und Steiermark sind in Österreich im mikroelektronischen Bereich stark präsent, mit bekannteren und weniger bekannten Betrieben,darüber hinaus bleibt heimische Kundschaft bei CISC aber aus. „Abseits von unserem Produkt Coyero ist Business in Österreich zu machen in unserer Branche sehr schwierig.“ Das will Pistauer ändern. Im Rahmen des Silicon Alps Clusters, einem Netzwerk an Unternehmen, Organisationen und Forschungseinrichtungen, ist auch seine Firma um die Entwicklung des Elektronik- und Mikroelektroniksektors in Südösterreich bemüht. „Wir setzen Zeit, Geld und Energie dafür ein. Ich bin auch auf Bundesebene aktiv und mit Ministerien in Kontakt, um diese Entwicklung voranzutreiben. Aber es ist sehr herausfordernd. Es gibt auch bei uns viele Akteure, die sehrengagiert sind, aber man steht hier teilweise auch anderen gesellschaftlichen Ansprüchengegenüber, die den Fortschritt bremsen.“ Die Hoffnung, seine Heimat für neue Technologien zuetablieren, verliert der Klagenfurter keineswegs: „Ich bin hier sehr glücklich, bin mit dem Leben,meiner Frau und den Kindern und Optionen der Aus- und Weiterbildung sehr zufrieden. Es reicht jedoch nicht, sich darauf auszuruhen, wie schön es bei uns ist. Aber wir können uns über die Möglichkeiten, die wir heute haben, unterhalten, und diese sind enorm.“

Positiv in die Zukunft.

Die Frage, was es braucht, um die Region Kärnten im technischen Bereich mehr zu stärken und neueTechnologien und Lösungen zu etablieren, sieht Pistauer im gesamtgesellschaftlichen Kontext. „Ich sehe es so, dass die Veränderung etwas Normales es. Veränderung und Weiterentwicklung ist einwesentlicher Bestandteil unserer Welt der uns immer weitergebracht hat. Wichtig ist es, sie als Chance zu sehen und sich zu fragen, was kann ich damit machen. Je früher man sich auf so etwaseinstellt, desto früher werden wir auch als Region attraktiver sein. Wir befinden uns in einem internationalen Wettbewerb, wo sich gut ausgebildete Menschen die Frage stellen, wo gehe ich hin,um aus meinem Leben was zu machen, wo kann ich kreativ werden. Da haben wir in Kärnten beste Voraussetzungen. Aber man muss die Veränderungen zulassen, Neues ausprobieren lassen und wennes mehr davon gäbe, wäre es schön.“ Offenheit und Eigeninitiative der Gesellschaft hält der Unternehmer für wichtig. „Es ist durchaus hilfreich, denn es kann nicht alles nur durch Regelungenund Förderungen von der Politik durchgesetzt werden.“ Besonders was das exponentielle Wachstum der Fähigkeiten Künstlicher Intelligenz betrifft, rät Pistauer, keine Angst vor neuen Technologien zu haben, sondern den neuen Möglichkeiten offen undpositiv entgegenzublicken. Man solle außerdem keine Angst vor Fehlschlägen haben: „Man muss sichauf neue Dinge einlassen können, auch wenn es die Gefahr birgt, dass es nicht immer funktioniert.Aber man darf sich nicht ausschließlich darauf verlassen, dass wir eine schöne Region sind. Wirmüssen die Attraktivität auch langfristig aufrechterhalten. Ziel soll es sein, dass Menschen, die vonhier sind, auch hierbleiben wollen und Chancen sehen und, dass Menschen von außerhalb Kärntenals spannendes Land zum Zuzug sehen, wo sie sich willkommen und aufgehoben fühlen – auch wennsie vielleicht nicht Deutsch sprechen oder eine andere Hautfarbe, andere Ideen haben und, dassKärnten ein inspirierendes Land bleibt. Wir sind auf einem guten Weg – ich bin positiv gestimmt.“

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